Entwicklungshilfe - pro und contra  

 

Kurzfassung des Vortrages auf dem Bubenreuther-Haus am 5. 11. 2019

 

von Volker Hansen (Alemannia Bonn  SS 1957, Brunsviga Göttingen SS 1963)

 

 

 

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Was lesen wir in der Presse über Entwicklungsländer?

 

Einerseits: Afrikas politische Elite in vielen Ländern steht für Bereicherung, Ausbeutung, Korruption, sowohl Putsch-Diktaturen als auch demokratische Diktaturen. Sie kassieren gern auch Gelder von Industrieländern – gern auch für private Zwecke.

 

Andererseits: Wohlfahrtsverbände und Kirchen zeigen Bilder über erbarmungswürdige Zustände eben dort und bitten um Spenden zugunsten eben dieser ausgebeuteten Länder. Also fehlgeleitete Entwicklungshilfegelder?

 

 

Was also tun? 

 

Angesichts des Elends in dieser Welt stellt sich die Aufgabe, etwas Gutes zu tun. Aber Vorsicht: Der Wunsch eines Gut-Menschen, etwas Gutes tun zu wollen, muß nicht zwingend in guten Werken enden. Also wollen wir versuchen, hinter die Dinge zu gucken, wozu schon Vergil aufrief, indem er sagt: felix qui potuit rerum cognoscere causas.

 

Wie wir spätestens seit den Gipfeln der OECD, Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung wissen, in der 30 wichtige Industrieländer zusammengeschlossen sind, wissen, G 20 im Juli 2017 in Hamburg und G 8 Treffen in Heiligendamm 2007, wurden die Ziele von 2001 bekräftigt, nämlich die extreme Armut der Welt die andauende Arbeitslosigkeit, niedrige Lebenserwartung, hohe Kindersterblichkeit, Massenkrankheit, vor allem HIV und Malaria, Bevölkerungsexplosion, Bildungsarmut, Landflucht, niedriger Wertschöpfung in der Produktion, Unterdrückung der Frau zu überwinden. Seltsam, diese Forderungen stammen bereits aus dem Jahre 1975 und die wiederum aus den 60er Jahren, als Afrika selbständig wurde. Denn das 1972 postulierte Ziel, 0,7 % des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe auszugeben, wurde z.B.  in Deutschland 2017 nur durch Hinzuzählen der Flüchtlingshilfe erreicht; ohne diese Zusatzhilfe lag Deutschland lediglich bei 0,27 % oder etwa 10 Mrd. €, ein Schlag ins Gesicht für all die entwicklungspolitischen Anstrengungen bei uns und weltweit seit den 60er Jahren.

 

Die wichtigsten Entwicklungsaktivitäten des Bundes konzentrieren sich auf die Finanzielle Zusammenarbeit (FZ) zur Finanzierung von Anlageinvestitionen sowie die Technische Zusammenarbeit(TZ) unter dem Titel zur GIZ Förderung der Leistungsfähigkeit von Menschen und Organisationen in den Partnerländern durch den Einsatz von Entwicklungshilfe-Experten. Neben dieser offiziellen Hilfe stehen zahllose Nicht-Regierungsorganisationen (NRO oder NGO), die wesentlich aus Töpfen des BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit) finanziert werden. Dazu gehören auch politische Stiftungen zur Aus- und Fortbildung von Fach- und Führungskräften sowie zahlreiche Organisationen und Kirchen. Analog dazu verhalten sich EU und internationale Organisationen.

 

Ursache vieler zu lösender Probleme ist das Bevölkerungswachstum. Nach der Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte ist immerhin folgende positive Entwicklung unübersehbar: die Unterernährung in Entwicklungsländern sank: 1990 23,2%, 2017 nur noch 12,9 %. Damit wurde etwa eine Milliarde Menschen von absoluter Armut befreit. Doch die Zahl der ärmsten Entwicklungsländer bleibt bei steigender Bevölkerungszahl und damit auch die absolute Zahl der ärmsten Bevölkerungen, Zeichen für eine weiterhin fragile Welt.

 

1990 lebte fast die Hälfte der Bevölkerung der Entwicklungsländer von weniger als 1,25 $ pro Tag. 2015 waren es nur noch 14 %.  Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter 5 Jahren sank im gleichen Zeitraum von  90 auf 43 pro 1000. Nach Schätzungen der Weltbank wird sich die Bevölkerung  bis 2050 in Subsahara um über 200 % auf 2 Mrd. verdoppeln und in Nordafrika/Nah-/Mittelost auf 440 Mio. oder fast 50% ansteigen. In der EU wird sie zugleich auf rund 500 Mio. zurückgehen. Zwar sinkt die Zahl der Kinder pro Frau, doch fressen viele Kinder den erwirtschafteten Wohlstand auf. Je ärmer das Land, desto mehr Kinder je Frau. Maßnahmen zur Empfängnisverhütung sind also unumgänglich.

 

Nach wissenschaftlichen Untersuchungen Internationalen Währungsfonds IWF wird eine Emigration aus ärmeren Ländern bis zu einem realen BIP pro Kopf  von 7.500 $ steigen.  Danach schwächt sich die Emigration ab und kehrt sich bei einem BIP von 15.000 $ um. Während Nordafrika/Nah/Mittelost das 15.000 $ - Ziel Ende des nächsten Jahrzehnts erreichen wird, dürfte sich in der Subsahara wohl erst nach 2080 die Marke von  7.500 $ einstellen. Was folgt daraus? Bezogen auf Subsahara ist auf lange Zeit mit einer Abwanderung zu rechnen.

 

Eine für manche brutale Konsequenz dieser Aussicht für die Europäische Wertegemeinschaft kann nur in einer Migrationsabweisung bestehen. Oder noch brutaler ausgedrückt: Ohne Festung kein Europa.  Wem das nicht passt, der muss unterscheiden zwischen Solidarität mit Bedingungen und Nächstenliebe ohne Bedingungen. Das weiß zwar nicht der Papst,  wohl aber Kardinal Turkson aus Ghana, Präsident des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden, zu unterscheiden, wenn er warnt, die Politik der offenen Tür beraube die afrikanischen Staaten ihres wichtigsten Kapitals, der Jugend.

 

 

Vor diesen Scenarien stellt sich eine Reihe von Fragen:

 

Wurden von den Geber- und gleichfalls Nehmerländern nicht immer wieder gute Absichten verkündet? Sind die unzähligen  administrative Pläne, hehre Ziele und Blaupausen staatlicher, internationaler oder privater großer und kleiner Hilfsorganisationen trotz vieler Dekaden Entwicklungshilfe nicht immer wieder zur Makulatur geworden? Können die Entwicklungsländer nicht alleine fertigwerden?

 

 

Beispiel  IWF: Der IWF ist die zentrale internationale Stelle, Entwicklungsländern bei Devisen- und Haushaltsproblemen und insbesondere bei Staatsverschuldungen mit Strukturanpassungskrediten auszuhelfen, insbesondere Devisenreserven aufzustocken, Währungen zu stabilisieren und Importe möglich zu machen, sinkende Exporterlöse aufzufangen. Die Kredite werden dabei an eine Reihe von Auflagen gebunden wie Nutzung von Devisenreserven zum Abbau der IWF-Kredite, Einleitung von Steuerreformen, Begrenzung von Rüstungsausgaben, Freigabe des Wechselkurses, Begrenzung der Personalkosten des staatlichen Apparates u. s. w. Leider gibt es tausend Gründe, weswegen die IWF-Kredite nicht zurückgezahlt werden können, bis hin zum Totschlagargument, der IWF solle sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Landes einmischen. Was aber, wenn die ursprüngliche Kreditvergabe das damit erwünschte Wachstum nicht erreicht und so die Schulden erst beginnen? Und was passiert, wenn Potentaten an große Geldtöpfe herankommen und sich nach eigenem Gusto zu bedienen?

 

 

Beispiel  Handel und Investitionen:

 

Handel setzt eigene Produktion voraus und ist nicht selten die Vorstufe von Investitionen. Investitionen liefern einen Beitrag zum Staatshaushalt über Steuern, zur Beschäftigung über Erstinvestition, und später auch über solche in vor- und nachgelagerten Stufen, zu Aus- und Fortbildung, zu Deviseneinnahmen, ohne die das Land sich keine Importe leisten kann, letztlich zur Wohlstandsmehrung sowie zur politischen, wirtschaftlichen und sozialen Stabilität des Partnerlandes. Handel ist einer der wichtigsten Motoren für Wachstum. Die beste Entwicklungshilfe ist eine Beteiligung am Aufbau von Handelsstrukturen, also „trade, no aid". Was aber, wenn Regierungen fremde Gelder lieber für Korruption, Vetternwirtschaft, Bereicherung oder Ausbeutung ihrer eigenen Landsleute verbraten als investiv einzusetzen?

 

 

Beispiel Viehwirtschaft: Was soll da ein Brunnenbauprojekt der EU im ariden Ogaden von Äthiopien, damit das Vieh der Nomaden getränkt werden kann? Was passiert, wenn die Viehzahl stark ansteigt und die Überweidung weiter Flächen zu Versteppung, Bodenerosion und letztlich zur Verelendung der Viehzüchter führt? Übrigens: die Nomaden-Clan-Chefs regulieren den Ansturm auf die Brunnen mit der Kalaschnikow im Anschlag.

 

 

Beispiel Bewässerungslandwirtschaft

 

Was soll ein Bewässerungsprojekt bewirken, wenn  es irgendwo im Busch fern von Ansiedlungen und Märkten angesiedelt ist, wegen schlechter Straßen fast unerreichbar ist, die notwendigen LKWs nicht einsatzfähig sind oder gar nicht existieren und die Ware schon auf dem Transport verdirbt?

 

 

Wachstum ohne Hilfe?

 

Es stimmt bedenklich, wenn Länder, die besonders viel Entwicklungshilfe bekamen, nicht durchgestartet sind, vielmehr auf einem niedrigen Niveau stehen geblieben sind. Dazu gehören die meisten Länder Schwarzafrikas, vor allem Tansania und besonders Simbabwe. Andere Staaten hingegen, die Entwicklungshilfe eher ablehnten, mauserten sich zu Schwellenländern oder gar zu Industrieländern, so Hongkong, Singapur, Südkorea oder Taiwan. Im Zeichen der Globalisierung setzen immer mehr Entwicklungsländer auf die Einsicht, daß nicht Kapital aus dem Norden, sondern Steigerung der Faktorproduktivität mit Eigenmitteln das Geheimnis für Entwicklung ist. 

 

 

Hilfe der Gut-Menschen

 

Da wird mit westlicher Hilfe der Aufbau einer Bekleidungsindustrie gefördert. Wenn das erste Hemd auf den Markt kommt, steht es plötzlich in der Konkurrenz zu billigen Importprodukten. Dieses Phänomen wird noch verstärkt durch die guten Menschen aus den Industrieländern: Sie verschiffen ganze LKW-Ladungen mit Gebraucht-Kleidern nach Afrika mit dem Ergebnis, daß die lokale Stoff- und Kleiderproduktion (nicht selten mit Kapital aus dem Ausland) zum Erliegen kommt und der afrikanische Schneider, dem man noch eine Nähmaschine über Entwicklungshilfemahnahmen angedient hat, keine Aufträge mehr findet. Übrigens: wer sind diese Gutmenschen? Im Großen sind es die Geberländer, die über den Aufbau eigener Schutzzölle Importe von Kleidern behindern. Und im Kleinen sind es alle möglichen Organisationen, die etwas für die lieben armen Afrikaner tun wollen und sich so ihr Gewissen erleichtern.

 

 

 

Zusammenarbeit mit NGOs:

 

NGOs wollen durch Projekte ihre Verantwortungsbereitschaft für die Entwicklungsländer beweisen. Aber steht dahinter nicht oft auch ein gehöriges Maß an Energie, von dem Entwicklungskuchen, vom BMZ bereitgestellt, für die eigene Organisation etwas abzubekommen?  Eine Studie des Kieler Weltwirtschaftsinstitutes kommt zu folgendem niederschmetternden Ergebnis hinsichtlich der Wirkungsweise der NROs: Sie bieten ihre Hilfe nicht vornehmlich in den ärmsten Ländern an, sondern in den weiterentwickelten Ländern; sie engagieren sich nicht vorzugsweise dort, wo staatliche Entwicklungshilfe keinen Erfolg hat oder wo es keine politischen Strukturen gibt, sondern folgen den staatlichen Organisationen; sie versuchen, und sind, da sie  Risiken durch konformes Verhalten zu minimieren, nicht weniger eigennützig als staatliche Entwicklungsorganisationen.

 

 

Doch es gibt auch zahlreiche  gelungene NGO - Projekte: Moskitonetze und Ziegen

 

Ein Beispiel: Da verteilten ausländische Geber Moskitonetze nach dem Gießkannenprinzip zur Bekämpfung von Malaria als der noch weit vor Aids häufigsten Krankheit kostenlos an die Bevölkerung. 70 % der Netze wurden jedoch nicht benutzt. In Malawi suchte man dagegen nach dem Bedarf und stellte fest, daß besonders junge Mütter mit ihren Kindern dringend Malarianetze benötigen. Dann wurden diese Netze über die Geburtskliniken für 50 Cent von den Schwestern an bedürftige Mütter verkauft. Die Netze waren im Nu ausverkauft. Da die Schwestern je Netz 9 Cent für sich behalten konnten, waren sie am permanenten Nachschub interessiert.  An wohlhabende Familien wurden die Netze für 5 Dollar das Stück verkauft. Von diesem Erlös wiederum wurden neue Netze für die ärmere Bevölkerung eingekauft, so daß sich das ganze System finanziell trug. Die Zahl der Malariaerkrankung sank drastisch.

 

Noch ein gutes: Eine Kirchliche Mission verschenkt zwei Ziegen. Sie geben Milch und gebären Lämmer. Beides steht zum Verkauf. Endlich ist Schulgeld da und um der Ausbildung der Kinder willen die Einsicht, dass die Kinderzahl begrenzt sein muss.

 

 

Und ein problematisches NGO-Projekt: Ein Schulprojekt

 

Da will eine Nicht-Regierungsorganisation die Alphabetisierung fördern. Sie stellt 160 Sack Zement für den Bau einer Schule zur Verfügung. Bei einem Kontrollbesuch wird festgestellt, daß das Schulhaus nicht fertig ist, weil 60 Sack Zement spurlos verschwunden sind. Statt Rechenschaft über den Verbleib der 60 Sack zu verlangen, bittet die deutsche NGO die Partner fast auf den Knien, doch einen neuen Antrag auf Ersatzlieferung für die verschwundenen 60 Säcken zu stellen. Und zu allem Überfluss: da hat eine deutsche Nicht-Regierungsorganisation aus dem kirchlichen Bereich ein Areal von fünf Dörfern auf 99 Jahre gepachtet, um sich bis in weite Zukunft die Einflussnahme zu sichern. Statt sich also so schnell wie möglich überflüssig zu machen, was ein erklärtes Ziel aller Entwicklungspolitik ist, etabliert sie sich mit einer solchen Politik für mehrere künftige Generationen und schafft für ihre eigenes Expertenpersonal langfristig Arbeit. Ist das auch nachhaltig?

 

 

Forderungen an Entwicklungsländer

 

Die wesentlichen Forderungen an Entwicklungsländer beinhalten Rahmenbedingungen wie Demokratieaufbau mit verlässlichem Rechts-, Finanz-, Steuer-, Sozial- und vor allem Investitions- und Außenwirtschaftssystem sowie Aufbau einer Administration, die aktiv Korruption, Verschwendung, Vetternwirtschaft und Ausbeutung bekämpft. Vor allem gilt es, Bildung und Ausbildung zu verbessern, um die Länder zukunftsfähig zu machen. Fast jeder Staat etwa in Subsahara kann seine Kernaufgaben nicht erfüllen. Zu fragen ist: fehlt die Leistungsfähigkeit, der politische Wille zu ausgleichender und reformorientierter Entwicklung? Wie dem auch sei, die Zahl der Länder mit fragiler Staatlichkeit hat seit dem Beginn der Entwicklungshilfe in den 50er Jahren, offiziell seit 1961, nicht ab, sondern eher zugenommen.

 

Unterentwicklung wird in Afrika gern als Ergebnis von Machenschaften fremder Mächte und Folge der Kolonisation hingestellt. Und daraus abgeleitete fehlende Selbstkritik und Selbstbezogenheit sorgen dafür, daß Hilfsorganisationen im Büßergewand mit Helfersyndrom möglichst lange anhalten bleiben mögen.

 

Doch warum soll man die Demokratie aufbauen, wenn das traditionelle Chief-Systems herrscht, das das menschliche Zusammenleben als hierarchisch versteht, Macht verlieren würde? Und im Gefolge von Macht zeigt sich das alte Übel in Afrika: in dem negativen Zusammenkommen von Kapitalakkumulation bei Wenigen (wenngleich dies Voraussetzung für Investitionen ist) mit mangelnder Rechtsstaatlichkeit, ungenügender Investitions- und Produktionssicherheit, Unterdrückung, Vetternwirtschaft, Veruntreuung, Wahlmanipulation, politischer Patronage, Bestechung der Justiz, Ausbeutung und Krieg im Innern. Ein Transparency-Mitarbeiter in Nigeria zieht daraus den Schluss, dass alle diese Formen der Korruption zu den sozialen Normen des Landes gehören.

 

Ein Beispiel zu Rechtsstaatlichkeit, Bodenrechten und Krediten: Boden für landwirtschaftliche Produktion wird traditionell von den Chiefs an die Bauern auf Zeit vergeben. Wie aber kann Boden genutzt werden, wenn es keine Bodenrechte als Voraussetzung für die Kreditvergabe gibt? Was, wenn die Bauern das bewirtschaftete Land verlassen müssen, weil der Chief das Land verkauft hat und den Löwenanteil des Kaufpreises in dunklen Kanälen versickern lässt und aus Bauern mittellose Landarbeiter werden?

 

Gesetze über entschädigungslose Enteignungen werden in immer mehr afrikanischen Staaten eingeführt. Das hat mindestens zwei Dinge zur Folge: Eigentum gilt nicht mehr für ungeliebte, aber hoch effiziente, meist  weiße, Minoritäten. Und die Produktivität der neuen, meistens  der Politik entstammenden, aber wirtschaftlich hochineffizienten Eigentümer tendiert gegen Null. Welche Bank gibt dann noch Kredite, wenn der Eigentumstitel nichts mehr wert ist? Und noch schlimmer, wenn Staat oder Kommunen Land an Chinesen verkaufen und die Bauern vom Land vertrieben werden?

 

Daß ethnische Säuberung, ein Wort gut für das Unwort des Jahres, allenthalben auf der afrikanischen Tagesordnung, steht mit grausamen Folgen für die Bevölkerung, kennen wir aus der fast täglichen Berichterstattung. Dahinter verbirgt sich die traditionelle afrikanische Sicht, daß der Nachbarstamm einem nicht in das Gehege kommen möge, da dessen Vieh sonst auf eigenem Boden grasen würde. Der Nachbarstamm ist also der größte Feind, den es zu besiegen gilt. Und wo Krieg ist, wird nichts produziert.

 

Zudem haben wir es vielfach mit Sandwich-Leuten zu tun: sie erhalten in Übersee eine vorzügliche Ausbildung, gehen, wie es entwicklungspolitisch sinnvoll ist, in ihre Heimatländer zurück. Dort können sie ihre Qualifikation aber nicht ausspielen, wenn ihre unqualifizierten Vorgesetzten sie aus ihren Ämtern drängen.

 

Die sogenannte Regenbogen-Demokratie in Südafrika hat die Affirmative Action eingeführt, zusammen, nach der Arbeitsplätze auf allen Hierarchieebenen nicht nach Qualifikation, sondern nur nach Hautfarbe entsprechend dem Bevölkerungsanteil besetzt werden dürfen. Folge ist die Abwanderung der weißen und zunehmend auch der schwarzen Eliten, die nach besseren Ufern Ausschau halten.

 

Mit sich verbessernder Einkommenssituation steigt angesichts nicht selten anzutreffender Neigung zur Promiskuität die Zahl sexueller Grenzgänger. Da werden viele Ausbildungsplätze wegen Aids-Ausfalls doppelt besetzt, um längerfristig disponieren zu können. Unübersehbar kümmern sich Großeltern um Kinder ohne Eltern.

 

 

Doch es gibt auch Lichtblicke: Die von Mohammed Yunus gegründete Grameen-Bank ist ein Segen: Nicht Faulheit ist Hauptursache von Armut, sondern zu oft Mangel an Kredit. Diese Bank vergibt Kleinkredite, wobei die gesamte Dorfgemeinschaft für die individuelle Rückzahlung haftet. Kreditnehmer sind vorwiegend Frauen, weil diese zur Erhaltung der Familie an sorgsamer Nutzung des Kredites interessiert sind, im Gegensatz zu den Männern, die Geld, möglichst das anderer Leute und am leichtesten das der eigenen Frau, schon mal für Bier und Frauen verprassen. Nicht zu Unrecht tragen die Frauen Geld und andere Wertsachen am Busen — da ist es wenigstens sicher.

 

 

Fazit: Die beste Hilfe für Afrika muss aus sich heraus kommen: Gute Regierungsführung auf allen Ebenen mit Partizipation nach demokratischen Regeln, und zwar mit Rechtsschutz und Rechtssicherheit für den einzelnen, Meinungsfreiheit zur Vermeidung von schikanöser Dominanz der Mehrheit, Eigenverantwortung und Selbsthilfefähigkeit, marktwirtschaftlich orientierte Wirtschafts- und Rechtsverfassung, Lernen vom Ausland, nicht Nehmen vom Ausland, Besinnung auf die Nutzung eigener, brachliegender Kräfte, Beseitigung korrupter Strukturen, und last not least, die Geißel der innerstaatlichen Kriege beseitigen. Und nicht zuletzt hapert es am Aufbau von Bildung und Ausbildung, Zauberworte für eine positive Entwicklung. Doch wie ist eigener Antrieb möglich, wenn es an jeglicher Heuristik mangelt und man sich von Ahnenkulten und magischen Kräften bestimmen lässt und unterdurchschnittliche Lehre und kaum sichtbare Forschung zum Phänomen der Abwanderung der Besten führt? Afrika muss als ureigenste Aufgabe das Bewusstsein entwickeln, für die eigenen Geschicke selbst verantwortlich zu sein. Ohne diese selbstgeschaffenen Negativismen wäre Afrika ein Kontinent ohne Hunger. Zugleich sind Bildung und Ausbildung eine wesentliche Voraussetzung für die Verringerung der zu hohen Geburtenrate.

 

Immerhin werden seit ein paar Jahren bisher ungeahnte Selbstheilungskräfte in Afrika mobilisiert, die in den letzten Jahren zu beachtlichen Wirtschaftserfolgen mit Wachstumsraten von 5 % und mehr geführt haben, erste positive Folgen einer sich allmählich verbreiternden Marktwirtschaft. Das Handy ist inzwischen zur Ubiquität geworden, mit dem der Bauer aus der hintersten Region sich den aktuellen Preis herausholen kann und sich nicht länger  vom Händler übervorteilen lassen muss. Und junge Angehörige der aufsteigenden Mittelschicht gründen mit hohem Kreativpotential Unternehmen, mit denen Waren des täglichen Bedarfs lokal hergestellt werden.

 

 „Afrika ist arm, weil Afrika es hartnäckig ablehnt, bei anderen Kulturen Anleihen zu tätigen“, so Axelle Kabou in ihrem Buch „weder arm noch ohnmächtig". Der Afrikaner müsse wissen, daß er verliere, wenn er etwa das Problem der Kolonisation mit moralischen Argumenten angehen wolle, statt sich verantwortlich zu fühlen und endlich zu Taten aufbreche. Nur eigene Anstrengungen könnten helfen, die Faktorproduktivität zu erhöhen. Es behält der eingangs erwähnte Satz von Vergil: „rerum cognoscere causas“ seine Gültigkeit, nämlich  hinter die Dinge zu sehen:  Wir haben es nicht mit einem Erkenntnisproblem, sondern mit einem Umsetzungsproblem zu tun – das sagte bereits Roman Herzog in seiner „Hau-Ruck“-Rede im Jahre 1997.